Mit dem Prenzlauer Berg assoziiert man gerne Gentrifizierung, Szene-, Künstler- oder Schwabenviertel. Dabei war der Bezirk im Norden Berlins ein gewöhnlicher Arbeiterbezirk, der anders daher kommt als die prunkvollen Gründerzeit-Viertel im Westteil der Stadt. Es lohnt sich, einen Tag zu investieren, um sich sein eigenes Bild vom „Prenzlberg“ zu machen. Hier meine Sightseeing Tipps Prenzlauer Berg.
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Eine Kleinstadt in Berlin
Ich wohne seit über zehn Jahren im Prenzlauer Berg und komme erst jetzt auf den Gedanken, über meinen eigenen Kiez zu berichten. „Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah?“ – ja, ja Herr Goethe, diesmal hammse recht.
Der Prenzlauer Berg ist seit der Bezirksfusion im Jahr 2000 Teil von Pankow und hat mit über 160.000 Einwohnern die Ausmaße einer Großstadt. Einen guten Überblick über die Geschichte und die wichtigsten Fakten bekommt Ihr bei Wikipedia. Leider gibt es darüber hinaus wenig Brauchbares im Netz und Beiträge wie der vorurteilsüberfrachtete Berliner Stadtteil-Check auf Focus Online kann man sich sparen.

An einem Sonntag in Berlin
Wegen der Bearpit-Karaoke von Joe Hatchiban und dem Flohmarkt am Mauerpark finde ich im Sommer den Sonntag am schönsten, um den Prenzlberg zu entdecken. Der Samstag bietet sich zum Shoppen und zu einem Besuch auf dem Wochenmarkt am Kollwitzplatz an.

Es gib natürlich noch viel mehr zu sehen, aber für eine erste Erkundungstour empfehle ich Euch folgende „Ecken“:
- Kastanienallee, Oderberger Straße und Mauerpark
- Helmholtzkiez und Kulturbrauerei
- Rund um den Kollwitzplatz und Wasserturm

Zuckerfee bis Berliner Mauer
Im Café abhängen
Die Lieblingsbeschäftigung im Kiez ist „abhängen“, am besten bei einem „Käffchen“ mit lecker Kuchen oder beim Brunch. Letzteres aber bitte nicht vor Mittag, wir sind schließlich in Berlin. Mein Favorit für ein gediegenes Frühstück ist die Zuckerfee in der unaufgeregten Greifenhagener Straße (Nähe Helmholtzplatz). Da klein, fein und beliebt, solltet Ihr ein paar Tage vorher reservieren.
Update Dezember 2020: Leider ist die Zuckerfee der Corona-Krise zum Opfer gefallen und musste schließen.

Falls Ihr Eure Tour am Kollwitzplatz startet ist Anna Blume – passend zum Namen mit angeschlossenem Blumenladen – eine Alternative. Hier herrscht mehr Betrieb als bei der Zuckerfee und dank der großen Terrasse ist Anna Blume die perfekte Schönwetter-Location zum Sehen und Gesehen werden.
Käffchen am Helmi
Die zwei bekanntesten Plätze im Bezirk sind der nach der Künstlerin Käthe Kollwitz benannte Kollwitz- und der nördlicher gelegene Helmholtzplatz. Entsprechend sind auch die Kieze benannt (Kollwitz- und Helmholtzkiez). Die Gegend um den Kollwitzplatz wirkt mondäner, während die Architektur um den Helmholtzplatz mehr an den früheren Arbeiterbezirk erinnert.

Beide Kieze haben sich in den letzten Jahren rasant entwickelt. Die Mieten nähern sich stetig süddeutschem Niveau an und der Wohnraum wird knapp. Trotzdem gibt es besonders um den Helmholtzplatz herum noch ein überraschend aktives Kneipenleben mit Dauerbrennern wie dem Wohnzimmer, dem zu mir oder zu dir oder Becketts Kopf – die Bar „zur Verfeinerung der Sinne“.

Dass der Prenzlauer Berg deutschlandweit die höchste Geburtenrate hat ist laut Spiegel Online übrigens ein Mythos. Wenn man Sonntags über den Helmholtzplatz läuft, glaubt man das aber trotzdem gerne. Ich habe selten so viele Kinderwagen, Spielplätze, Kinderflohmärkte und Elterncafés auf einem Fleck gesehen.

Dazwischen tummeln sich auch schrägere „Vögel“ und leider ist am Helmholtzplatz in letzter Zeit verstärkter Drogenhandel zu beobachten. Das alles bleibt aber immer noch im Rahmen und ist nicht vergleichbar mit sozialen Brennpunkten wie dem Neuköllner Hermannplatz. Besonders im Sommer, wenn überall die Straßencafés öffnen, herrscht am „Helmi“ eine sehr friedliche und entspannte Atmosphäre.
Altes Zeugs am Mauerpark
Ja, ja, schon wieder ein Opfer der Gentrifizierung. Und dann diese ganzen Touristen aus aller Welt. Der Flohmarkt am Mauerpark ist halt auch nicht mehr das, was er mal war. Völliger Quatsch. Ich war gerade neulich wieder da, und es macht nach wie vor Spass, zwischen den Ständen herum zu laufen und sich am Nachmittag die schrägen Töne bei der Bearpit-Karaoke anzuhören. Ein Mauerpark-Flohmarkt ohne Touristen wäre schlicht und ergreifend öde.

Wenn Ihr wirklich stöbern wollt, empfehle ich Euch früh morgens gegen 10:00 Uhr dort zu sein. Zu der Zeit ist kaum was los und Ihr habt noch die besten Sachen zur Auswahl. Plus, die Händler sind vom Trubel noch nicht genervt. Schön finde ich auch die kleinen Oasen auf dem Gelände, wo Ihr sitzen, essen und was trinken könnt.

Gegen Mittag geht’s dann richtig los. Die Massen strömen die Eberswalder Straße Richtung Flohmarkt entlang und der Platz auf den Grünflächen wird von Picknickern, Musikern und anderen „künstlerisch motivierten“ Menschen belagert. Auch die Plätze des Amphitheaters füllen sich in freudiger Erwartung auf Joe Hatchiban (im wahren Leben Gareth Lennon), der ab 15:00 Uhr mit seinem Fahrrad das Karaoke-Equipment in die Arena bringt.
Spuren der Teilung
Wenn Ihr schon in der Nähe seid, dann solltet Ihr Euch auf jeden Fall die Gedenkstätte Berliner Mauer anschauen. Im Vergleich zum Checkpoint Charly hat man es hier geschafft, die Themen Mauer und Teilung mit der entsprechenden Ernsthaftigkeit zu präsentieren. Die Gedenkstätte liegt an der Bernauer Straße (Bezirk Mitte), auf deren Ostseite der sogenannte „Todesstreifen“ entlang ging.

Vom Beobachtungsturm beim Informationszentrum habt Ihr einen guten Ausblick auf das Areal und die Reste der Berliner Mauer. Besonders beklemmend ist das „Fenster des Gedenkens“ auf der gegenüberliegenden Seite, das die Bilder von 130 Maueropfern zeigt. Eine Stunde solltet Ihr für die Besichtigung der gesamten Anlage mindestens einplanen. Es lohnt sich. Einen Überblick über die Highlights findet Ihr bei Wikipedia.

Auf eine Currywurst bei Konnopke’s
Sehen und gesehen werden
Auf dem Rückweg lohnt sich ein Umweg über die Oderberger Straße. Besonders bei schönem Wetter hat die Straße mit seinen Cafés und kleinen Läden einen besonderen Charme. Ein echtes Schmuckstück ist das Stadtbad Oderberger Straße, ein bis vor wenigen Jahren stillgelegtes Bad im Neorenaissance-Stil, wo häufig außergewöhnliche Ausstellungen und Parties stattfanden. Heute ist das Gebäude ein Seminarhotel und das Bad wurde in ein Spa umfunktioniert.

Die Oderberger Straße kreuzt die Kastanienallee, auch bekannt als „Szenemeile“ oder „Castingallee“. So ganz kann ich das nicht nachvollziehen, es gibt wesentlich „trendigere“ Ecken in Berlin. Ihr findet dort aber zum Shoppen eine Reihe guter Boutiquen, die eine Alternative zu den Läden in Mitte sind. Im Sommer lockt darüber hinaus ein Kaltgetränk im Prater, der neben dem Mauersegler beim Flohmarkt einer der schönsten Biergärten in der Gegend ist.

Berliner Haute-Cuisine
Ungemütlicher geht’s nicht als bei Pieselwetter unter den U-Bahngleisen inmitten der lauten Schönhauser Allee zu stehen und eine Currywurst zu futtern. Konnopke’s Imbiss läuft trotzdem und zwar seit über 80 Jahren. Lasst Euch auch nicht von der langen Schlange abschrecken. Ihr werdet dort zügig bedient und für Berliner Verhältnisse ist das Personal überraschend freundlich.

Ob die Wurst viel besser ist als anderswo in Berlin fällt mir schwer zu beurteilen. Sie schmeckt und mittlerweile gibt es – voll an das neue Kiez-Klientel angepasst – eine vegane Variante. Konnopke’s ist über die Stadtgrenzen hinaus eine Berühmtheit. Selbst die Süddeutsche und der Spiegel Online haben schon darüber berichtet.

Bier und Kultur – Die Kulturbrauerei
Einer der am besten erhaltenen Industriedenkmäler aus dem 19. Jahrhundert ist die Kulturbrauerei. Das Areal beherbergt Läden, Kino, Theater, Clubs und Locations für Konzerte und Konferenzen. Sofern Ihr nicht auf Jugendliche aus der Provinz steht, die ihre ersten bitteren Erfahrungen mit Alkoholika machen (a.k.a. „Brandenburg All Stars“), solltet Ihr die Kulturbrauerei für Parties am Wochenende meiden. Dafür bietet Berlin wesentlich spannendere Optionen.

Daneben gibt es aber eine Reihe wirklich guter Events. Zum einen im Dezember der Lucia Weihnachtsmarkt, für mich der schönste und vor allem entspannteste in Berlin. Im Sommer sind es am Abend die Open Air Konzerte, die durch das architektonische Backstein-Ensemble eine ganz besondere Note bekommen. Einen Überblick findet Ihr auf der Website der Kulturbrauerei.

Wenn Ihr noch Zeit habt, schaut Euch die Ausstellung „Alltag in der DDR“ an, die das Leben und Arbeiten in der ehemaligen DDR mit viel Liebe zum Detail dokumentiert. Der Eintritt ist frei und der Besucherandrang hält sich zum Glück in Grenzen. Öffnungszeiten: Dienstag-Sonntag und Feiertag: 10:00–18:00 Uhr, Donnerstag: 10:00–20:00 Uhr.

Durchsaniert – Der Kollwitzkiez
Der Kollwitzplatz ist nur wenige Minuten zu Fuß von der Kulturbrauerei entfernt. Beim gleichnamigen Kiez scheiden sich die Geister. Keine Frage, das Viertel strahlt mit seinem unverwechselbaren (Gründerzeit)-Charme. Für viele Berlin-Puristen gilt die Gegend aber als „totsaniert“. In der Tat ist die Infrastruktur auf wohlhabendes Klientel ausgerichtet und das Publikum unterscheidet sich kaum noch von dem der Westberliner Bezirke Charlottenburg und Wilmersdorf.

Das hört sich schlimmer an als es in Wirklichkeit ist. Es ist normal, dass sich eine Metropole ständig verändert. Wenn Ihr keinen typischen Berliner Party- und Szene-Kiez erwartet, dann könnt Ihr hier besonders im Sommer einen wunderbaren Nachmittag verbringen. Die gastronomische Auswahl ist wirklich gut und die stilvolle und zum größten Teil original erhaltene Architektur um den Platz herum hinterlässt einen bleibenden Eindruck.

Wochenmarkt und Wasserturm
Donnerstags findet am Kollwitzplatz der Biomarkt (12:00-19:00 Uhr) und samstags der Wochenmarkt (9:00-16:00 Uhr) statt. Besonders am Samstag, wenn der halbe Bezirk dort einkauft, lohnt sich ein Besuch. Neben den üblichen Marktprodukten, die angeboten werden, kann man sich durch eine richtig gute Auswahl an Essen, Weinen und Spirituosen probieren.

Eine weitere Ecke, die ich empfehlen kann, ist die Gegend um den Wasserturm. Der „Dicke Heinrich“ ist ein häufig fotografiertes Motiv und einer der Wahrzeichen von Prenzlauer Berg. Direkt gegenüber liegt mein kulinarischer Favorit im Kollwitzkiez, das jüdisch-russische Restaurant Pasternak, wo man im Sommer sehr schön draußen sitzen kann, mit Blick auf den Wasserturm.

Jüdische Kultur in Berlin
Jüdische Kultur findet Ihr auch ein paar Häuser weiter in der Rykestraße in der größten Synagoge Deutschlands. Falls Euch ein Besuch interessiert, könnt Ihr Euch auf der Facebook-Seite über die jeweiligen Öffnungszeiten und Gottesdienste erkundigen. Daran anschließend lohnt sich auch ein Besuch des Jüdischen Friedhofs. Der Eingang ist an der Schönhauser Allee und die Öffnungszeiten sind Wochentags von 8:00-16:00 Uhr (Freitags 7:30-13:00 Uhr).