, ,

Berlin bei Regen? Kein Ding – meine 11 Tipps für graue Regentage

Berlin bei Regen: Boutique in Mitte (Brunnenstraße)

Berlin bei Regen – warum ich gerade jetzt wieder über Berlin schreibe

Goethe hatte recht. Nach meinem ausgedehnten Sabbatical – weit weg, lange fort – zieht es mich auf Entdeckungstour zurück zu dem Ort, den ich seit 2004 Heimat nenne: Berlin. Und zwar nicht ins touristische Schaufenster, sondern in mein Berlin. Das, das auch bei grauem Himmel glänzt.

„Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute so nah liegt?“

Johann Wolfgang von Goethe

Der Sommer 2025 macht’s einem leicht, und aus der Not eine Tugend: Es regnet. Viel. Statt zu warten, bis die Sonne zurückkehrt, habe ich mich auf eine kleine Stadttour begeben – zwischen Buchhandlungen, Galerien, Kuchenpausen und Gewächshaus-Atmosphäre. Alles zu Fuß und mit der BVG, alles gut erreichbar. Und vor allem: alles wunderbar bei schlechtem Wetter.

Wer sich einen Tag (oder zwei halbe) Zeit nimmt, bekommt Berlin von seiner ruhigeren, fast privaten Seite zu sehen. Ohne Hektik, ohne Sonnenfilter – aber mit viel Raum zum Staunen, Lesen, Schauen und Durchatmen.

Mitte entdecken – Bücher, Kaffee & ein Klassiker

Ich starte am späten Vormittag in der Brunnenstraße – mitten in Mitte, bei Ocelot, einer Buchhandlung mit angeschlossenem Café, das so ruhig ist, wie Berlin selten sein darf. Ich sitze mit Flat White (nicht wirklich Flat White wer mich kennt ;-)) zwischen literarischen Fundstücken, Menschen mit Notizbüchern, und draußen glänzt noch der Asphalt vom letzten Schauer.. Besser kann Berlin bei Regen kaum beginnen.

Ein paar Straßen weiter südlich liegt das St. Oberholz, ein Berliner Klassiker, an dem man nicht einfach vorbeigeht – auch wenn ich es diesmal genau so gemacht habe. Seit Jahren Treffpunkt für digitale Nomaden, Remote-Worker, Kaffee-Connaisseurs und Startups mit Hang zur Gründerromantik. Allein die Sprüche am Fenster sind einen kleinen Halt wert – mein Favorit: „Das Leben ist kein Ponyhof“.

Lunch mit Tempo – Monsieur Vuong

Wer Berlin bei Regen erkundet, braucht irgendwann eine warme Schale Glück. Bei mir ist das traditionell: Monsieur Vuong. Seit Jahren ein Fixpunkt in Mitte – und das aus gutem Grund. Wer kurz vor zwölf kommt, bekommt noch einen Platz ohne Anstehen. Drinnen: warme Farben, klassische Musik (!), dampfende Pho-Schalen und das angenehm organisierte Chaos einer Küche – jeder Teller ein Statement.

Ich sitze am Tresen, schaue zu, wie angerichtet wird. Draußen klart es gerade auf, innen bleibt es ruhig und rhythmisch – mit Streichern statt Streetnoise. Klassiker, keine Geheimadresse – aber es gibt eben Gründe, warum manche Orte bleiben.

Zwischenstopp und Shopping mit Stil

Nach dem Lunch lohnt sich ein kleiner Schlenker in Richtung Alte Schönhauser Straße und Münzstraße. Früher war das mein Kiez – heute laufe ich mit etwas Abstand durch. Denn hier reiht sich ein Flagship-Store an den nächsten, von CLOSED, Adidas und Red Wing bis zu FREITAG. Designverliebte Menschen kommen voll auf ihre Kosten – und ihre Kreditkarten an ihre Grenzen.

Die Läden sind schick, die Straßen glattgepflastert, der Look eher Boutique als Berlin-Romantik. Ich bin übrigens nicht wegen der Shopping-Versuchung nach Prenzlauer Berg gezogen, aber sie hätte ein Argument gewesen sein können.

Kunst bei Regen – Galerien in der August- und Linienstraße

Von der Shopping-Ecke geht’s nur ein paar Minuten zu Fuß – und schon ist man mitten im Galerienviertel von Berlin-Mitte. Entlang der Auguststraße und der Linienstraße reiht sich ein kuratierter Raum an den nächsten. Was hier gut funktioniert: rein, schauen, schweigen, raus – dann Kaffee, dann wieder rein. So verläuft ein idealer Nachmittag bei Regen.

Ich habe mir diesmal drei herausgepickt:

  • ARTES Berlin: Große Namen, imposante Räume, zurückhaltende Wirkung – mit Türöffner, versteht sich.
  • Robert Morat Galerie: Klein, fast unscheinbar, aber mit sehr starken Fotoausstellungen. Diesmal: Jessica Backhaus – Plain Soleil. Farben, Licht, Reduktion.
  • Sprüth Magers: Direkt an der Oranienburger Straße. Ziemlich touristisch gelegen, aber auf zwei Etagen und der aktuellen 3D-Filmausstellung lohnt sich trotzdem – kurz reinspringen, staunen, weiterziehen.

Dazwischen: viele weitere Galerien, stille Innenhöfe, verregnete Fenster, vielleicht ein Espresso. In Momenten wie diesen zeigt Berlin bei Regen seine ruhigere, fast intime Seite.

Ein Ort mit Geschichte – House of Small Wonder

Wer Berlin kennt, weiß: Das Überraschende steckt oft hinter alten Türen. Das House of Small Wonder liegt im Erdgeschoss der ehemaligen Jüdischen Mädchenschule in der Auguststraße 11-13 – einem Backsteinbau aus den späten 1920er-Jahren, entworfen vom Architekten Alexander Beer im Stil des Berliner Expressionismus.

Drinnen: Holz, Gusseisen, Pflanzen, eine geschwungene Treppe, die aussieht wie aus einem Film. Die Innenarchitektur spielt mit japanischem Wabi-Sabi, viktorianischen Details und einem Hauch Urban Jungle. Ich war nicht zum Essen hier, sondern einfach nur, um diesen Ort zu sehen – und das reicht auch.

Ein perfekter Zwischenstopp, wenn Berlin bei Regen mal nicht grau, sondern bunt sein darf.

Unaufgeregter Rückzugsort – Princess Cheesecake

Kaum wieder auf der Straße, öffnete der Himmel richtig die Schleusen. Keine Spur mehr von leichtem Nieseln – es goss in Strömen. Also Planänderung: Kuchenpause.

Und wo könnte man besser unterschlüpfen als bei Princess Cheesecake? Das Café in der Nähe der Tucholskystraße ist charmant, ruhig, unprätentiös – mit hausgemachten Kuchen, freundlichem Licht und viel Platz zum Durchatmen. Ich nehme den Cheesecake mit Passionsfrucht – leicht, cremig, fruchtig. Dazu ein Espresso und ein paar Seiten im Notizbuch. Kein Großstadt-Zirkus, kein Konzept-Café. Einfach guter Kuchen.

Berlin bei Regen? Nur noch ein Hintergrundrauschen.

Finde Pippi Langstrumpf – der Holzmarkt

Der Regen hat inzwischen nachgelassen, aber alles ist noch feucht und glänzend. Genau die richtige Stimmung für einen Abstecher zum Holzmarkt – einem der eigenwilligsten Orte Berlins.

Mitbegründet von ehemaligen Bar 25-Macher:innen, entstand hier eine Art kreatives Mini-Dorf direkt an der Spree: mit Werkstätten, Ateliers, kleinen Läden, Gärten, offenen Bühnen und viel Platz für Ideen. Ein Gegenentwurf zur glatten Stadtentwicklung – bewusst roh, verspielt und lebendig.

Und der Berliner Clubgeist lebt weiter: Kater Blau, der Nachfolger der Bar 25, ist hier ebenfalls zu Hause – mit eigenem Clubbetrieb, Kunstprojekten und dem Katerschmaus als gastronomischem Ableger direkt am Wasser.

Ein Ort für Langschläfer, Spätkünstler und Spree-Gucker – und selbst bei Regen irgendwie poetisch.

Architektur und Luft zum Denken – das Aufbau Haus

Ich mache rüber nach Kreuzberg – mit der U8 zum Moritzplatz. Der Platz selbst ist keiner im klassischen Sinne, eher ein Verkehrsknoten mit Geschichte. Aber genau hier steht das Aufbau Haus: ein Ort, der nicht laut ruft, aber viel erzählt – durch seine Architektur, seine Nutzer:innen, seine Atmosphäre.

In den 2010er Jahren aus einer alten Klavierfabrik umgebaut, ist das Haus heute ein offenes Zentrum für Gestaltung, Bildung und Kreativwirtschaft. Im Erdgeschoss: die riesige Materialwelt von Modulor, ein Spielplatz für Design- und Papiermenschen. Und gleich daneben: die Buchhandlung Moritzplatz – großzügig, sortiert, charmant. Zwischen Kinderbuchklassikern, Indie-Verlagen und sorgfältig kuratierten Titeln verliert man schnell die Zeit.

Berlin bei Regen? Hier findest du alles, was du brauchst: Raum, Ruhe und eine gute Buchempfehlung.

Gartenidylle und Großstadtleben – Prinzessinnengarten & Oranienstraße

Mittlerweile kam die Sonne zum Vorschein – man glaubt es kaum: Sommer in Berlin!

Nur ein paar Schritte vom Moritzplatz entfernt entdecke ich den Prinzessinnengarten – eine grüne Oase hinter wildem Bewuchs und bemalten Toren. Urban Gardening, Holzschnitzelwege, Kräuterbeete, verwunschene Sitzplätze. Diese Mischung aus Plan und Wildwuchs, aus Idee und Improvisation – das kann Berlin wie kaum eine andere Stadt. Einmal tief durchatmen.

Danach laufe ich die Oranienstraße westwärts – Kreuzberg, mitten drin. Die Straße ist nicht nur Straße, sondern Haltung, und obwohl sich der Kiez ständig verändert, immer noch ein Schmelztiegel aus Kiezleben, Community, Subkultur, Szene und Geschichte. Hier mischen sich Spätis und Galerien, Gemüse-Displays und Graffiti, politische Sticker und White Flat.

Im Kopf höre ich plötzlich wieder DEN Song von Ideal„Oranienstraße – hier lebt der Koran.“ Berlin in einer Zeile – irgendwo zwischen Klischee, Kritik und Wirklichkeit.

Kiezleben in Berlin-Kreuzberg – drei Frauen an der Oranienstraße in Berlin, multikulturelles Kreuzberg
Kreuzberg pur – Kiezleben und Kontraste an der Oranienstraße

Altes Gemäuer, neue Gedanken – Künstlerhaus Bethanien

Am Ende der Oranienstraße öffnet sich der Mariannenplatz, und dort steht das Künstlerhaus Bethanien – ein ehemaliges Krankenhaus, heute ein Ort für Kunst, Projekte, Musik und diesen ganz eigenen, rauen Berliner Charme.

Ich gehe in die erste Etage, sehe mir die aktuelle Ausstellung an, wandere durch lange Gänge, vorbei an alten Kacheln, neuen Ideen und Wänden, die Kunst und Graffiti gemeinsam bespielen. Hier trifft klassische Architektur auf Farbspritzer, Konzeptkunst auf Treppenhaus-Poesie.

Draußen: grüne Wiesen, schattige Bäume, im Innenhof ein wunderschöner Biergarten. Keine Selfie-Sticks, auch kein Gedränge. Nur Berlin, und das ganz ruhig – ein perfekter Abschluss meiner Tour – fast.

Innenansicht des Künstlerhaus Bethanien in Berlin – historische Architektur mit Rundbögen und Ausstellungsflächen
Innenarchitektur im Bethanien: Rundbögen, Holzdecken und kreativer Geist

Schnitzel, Sonne, Abspann – Dinner im Panther

Vom Bethanien aus sind es keine zehn Minuten zu Fuß – vorbei an Eckkneipen, Graffiti und Altbaufassaden – und einem Himmel, der jetzt endlich blau bleiben will. Das Wetter spielt mit und der Hunger meldet sich zurück.

Das Restaurant Panther liegt ruhig in der Waldemannstraße. Keine große Geste, kein typischer Gastro-Hype – und gerade deshalb genau richtig. Moderne deutsche Küche, ein richtig schöner Terrassenbereich, freundlicher Service und diese Mischung aus traditionell und hip, wie sie in Berlin nicht immer so entspannt gelingt.

Ich gönne mir ein (echtes) Schnitzel, ein kühles Bier – und zum Schluss eine Kippe. Erschöpft aber happy. Der Schrittmesser auf dem Handy zeigt 21.615 an, und ich leide unter einem angenehmen Overload an Eindrücken.

Berlin bei Regen? Kein Ding. Gut für die Natur und gut für Muse.


Du hast selbst eine Lieblingstour bei Regen? Oder einen Ort, den ich beim nächsten Mal nicht verpassen darf? Schreib mir – ich freu mich auf Austausch, Tipps & Entdeckungen.

Comments

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

DSGVO Cookie Consent mit Real Cookie Banner