Kein Klo an der chilenischen Grenze, dafür aber Tischtennis spielende Beamte. Ein Trip von El Clafate aus zum Torres del Paine Nationalpark hält einige Überraschungen und vor allem imposante Landschaften parat. Weiter geht es nach El Chaltén, dem Hippie- und Aussteiger-Dörfchen, das gar nicht so ist. Hippies hin- oder her, die Gegend um den Felsenstar Fitz Roy ist die Reise wert. Hier die Tipps für Torres del Paine und El Chaltén.
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Torres del Paine und El Chaltén – Torres del Paine
Von El Clafate aus sind es mehr als 250 km zum Torres del Paine Nationalpark. Es ist klar, dass wir die meiste Zeit im Auto sitzen werden. Aber wann kommt man schon mal nach Chile?
Mit einem spartanisch ausgestatteten 4×4 eines bekannten deutschen Fabrikats werden wir zur unchristlichen Zeit um 5:30 Uhr abgeholt. Das Ding ist knüppelhart und auf das absolut Wesentliche reduziert. Auf der Rückbank bekommt das Steißbein jede Unebenheit zu spüren.
Das große braune Nichts
Wir fahren in südlicher Richtung über die berühmte Ruta Nacional 40, die sich durch ganz Argentinien entlang der chilenischen Grenze schlängelt. Nach etwa einer Stunde geht der Asphalt in eine staubige Schotterpiste über, auf der ein Auto mit üblicher Federung deutlich überfordert wäre.
Der Blick aus dem Fenster muss sich erst an das große braune Nichts, auch genannt „Patagonian Steppe“, gewöhnen. Hier und da verlieren sich einzelne Büsche in der Weite. Die Landschaft wirkt zunächst eintönig, hat aber zunehmend etwas pampaesk Faszinierendes an sich.
Freundliche Grenzbeamte
Nach knapp drei Stunden biegen wir scharf westlich auf die genauso schottrige Ruta Y-150 ab, die uns zur chilenischen Grenze führt. Die Kontrollen sind streng. Wir werden vom Tour Guide mehrfach darauf hingewiesen, keine frischen Lebensmittel einzuführen und unsere Pässe parat zu halten. Die Grenzer verstehen da wohl keinen Spass und sind rigoros.
Das ganze Ambiente am Übergang wirkt archaisch und improvisiert. Aber auch hier, im absoluten Niemandsland, bleiben die Beamten freundlich und entspannt. So entspannt, zumindest auf argentinischer Seite, dass eine Besuchertoilette doch glatt vergessen wurde. Die beiden Tassen Kaffee von vorhin müssen sich eben noch etwas gedulden.
Sympathische Guanakos
Circa eine Stunde später kommen wir an einem der Zugänge zum Park, der Portería Laguna Amarga, an. Die Eintrittsgebühr ist extra fällig und liegt aktuell bei umgerechnet € 30,00. Namensgeber und Wahrzeichen des Nationalparks sind die „Torres del Paine“ – drei mächtig herausragende, turmähnliche Granitberge, zwischen 2.600 und 2.850 m hoch. Der Name „Paine“ hat übrigens nichts mit „Schmerz“ zu tun, sondern bedeutet in der Sprache der Ureinwohner „blau“ wegen der intensiven Farbe bei entsprechender Witterung.
Der Park hat mit 2.400 km² etwa ein Drittel der Fläche des Nationalparks los Glaciares und ist seit 1978 Weltkulturerbe der Unesco. Hier leben unter anderem Kondore sowie die äußerst scheuen und vom Aussterben bedrohten Anden-Rehe. Etwas mutiger sind die sympathischen Guanakos, eine Art Anden-Kamele, die sich aus respektvoller Entfernung gerne fotografieren lassen.
Die Standardtour ist vergleichsweise entspannt und besteht wie vermutet aus viel Fahrerei mit dem 4×4 plus einer kleinen „Trekkingtour“. Das ist nicht unbedingt etwas für hartgesottene Trekkies, aber gibt einem die Möglichkeit, sich das Wichtigste an einem Tag anzuschauen und in Ruhe zu fotografieren. Der Guide gibt dazu enorm fachkundige Erklärungen zur Fauna und Flora und spannende Anekdoten zum besten, die garantiert in keinem Reiseführer stehen.
Die angepeilten Hot Spots sind unter anderem: Der Lago Sarmiento kurz vor dem Eingang des Parks, der Lago Nordenskjold mit klasse Blick auf ein weiteres spektakuläres Bergmassiv neben den Torres – den Cuernos (Hörner) del Paine – und der Ausblick auf den Lago Pehoe. In der Mitte des Sees liegt traumhaft mitten auf einer kleinen Insel die viel gepriesene Hosteria Pehoe. Laut Bewertungsportalen ist die Unterkunft aber eher Wucher bei miserablem Service. Daher lasst lieber die Finger weg, falls Ihr länger bleiben wollt!
Hochgradig dämliche Touristen
Im Park gibt es unterschiedlich lange Trekkingpfade mit verschiedenen Schwierigkeitsgraden. Einen guten Überblick gibt die offizielle Seite des Torres del Paine Nationalparks. Die kleine Trekkingtour dauert knapp zwei Stunden. Die Highlights sind der Mirador (Aussichtspunkt) auf die Cuernos del Paine und der Salto Grande. Letzterer ist nicht aufgrund seiner Höhe der bekannteste Wasserfall im Gebiet, sondern wegen seiner immensen Power mit der das Wasser in den Lago Pehoe schießt und wegen der funkelnden Lichtbrechungen durch die Sedimente des Gletscherwassers.
Für den Fotografen ein Traum, aber für die Natur ein Albtraum: Durch zwei verheerende Waldbrände innerhalb der letzten zehn Jahre sind knapp 30.000 Hektar Wald vernichtet worden. Beide Brände wurden durch die Unachtsamkeit von hochgradig dämlichen Touristen verursacht. Daher reagieren die Guides umso allergischer, wenn Besucher ihre Kippen mitten in der Landschaft rauchen oder wegwerfen. Die toten Bäume wirken wie ein Mahnmal und geben ein bizarres Bild ab – siehe dazu auch den passenden Beitrag bei Spiegel Online.
Beim nächsten Mal länger
Am späten Nachmittag geht’s dann die Strecke zurück nach El Clafate inklusive dem langatmigen Prozedere an der Grenze. Das Ganze ließe sich locker beschleunigen, wenn alle Schalter offen wären. Aber wir sind in Südamerika, wo Grenzbeamte auch mal gerne für alle sichtbar im Backoffice eine Runde Tischtennis spielen – und das gar nicht so schlecht.
Obwohl nicht viel gelaufen, fühlen wir uns ziemlich gerädert, als wir spät am Abend wieder in El Calafate ankommen. Die Tour war’s wert, die Eindrücke sind bleibend. Das nächste Mal werde ich aber ein bis zwei Tage für längere Trekkingtouren dranhängen, um den Nationalpark noch intensiver zu erforschen.
Hilfreiche Links:
Die offizielle Homepage des Nationalparks – mit leider unterirdischen Ladezeiten, aber gutem Kartenmaterial: http://www.torresdelpaine.com
Wirklich professioneller Touren-Anbieter, seriös mit gut ausgebildeten Guides: http://www.southroad.com.ar
Torres del Paine und El Chaltén – El Chaltén und der Fitz Roy
Wir hatten einen Mietwagen gebucht, um von El Calafate zum anderen Hot Spot, El Chaltén, zu kommen. Die fast vierstündige Fahrt Richtung Norden auf der Ruta Nacional 40 war das schon wert. Die scheinbar endlosen Kilometer durch die Einöde haben etwas Beruhigendes an sich. Auf der ganzen Fahrt begegnen wir gerade mal einer Hand voll Autos. Die Zivilisation macht sich nur durch den Asphalt und vereinzelte Markierungszäune bei den Aussichtspunkten bemerkbar.
Und wo sind jetzt die Hippies?
Ich hatte vorher über El Chaltén schon einiges gelesen. Besonders der Mythos vom Aussteiger-Dörfchen für Leute auf Selbstfindungstrip hält sich hartnäckig in den Reiseführern. Nicht die Bohne. Der Ort ist mitnichten ein Sammelbecken für orientierungslose Hippies. Vielmehr besteht das Publikum aus zielgerichteten Trekking-Fans aus aller Welt, die im Schnitt sehr viel jünger sind als in El Calafate – eher vom Typ Weltreisender bevor der Ernst des (Job-) Lebens beginnt.
Der 1985 gegründete Ort hat trotz seiner jungen Geschichte einen besonderen Charme. Auf der einen Seite ein „Dead End“ mit miserabler Mobilfunknetz- und Internetverbindung und zudem fast keine Möglichkeit, Geld zu ziehen. Es gibt aktuell nur einen einzigen Bankautomaten. Das heisst: Nehmt zur Sicherheit genug Bares mit, auch wenn fast überall Kreditkarten akzeptiert werden.
Auf der anderen Seite eine unaufdringliche, aber gut organisierte Infrastruktur. Hier findet Ihr sogar Mikrobrauereien, vegetarische Restaurants und entspannt-begrünte Biergärten. Die niedrigen Häuser sind fast ausschließlich aus Holz gebaut und fügen sich perfekt in die Landschaft ein. Umweltschutz und Sauberkeit werden groß geschrieben. Das macht Argentinien beim Aufbau neuer Touristenregionen geschickter und nachhaltiger als viele europäische Hochburgen.
Ins Gebirge – wenn nur das Wetter mitmacht
El Chaltén ist der Ausgangspunkt für Touren zu den Bergmassiven des Cerro Torre und zum absoluten Stars der Region, dem Fitz Roy. Letzterer heißt in der Sprache der Ureinwohner übrigens El Chaltén („Der Rauchende“) wegen der permanenten Wolken an der Spitze des Berges. Man muss Glück haben, ihn mal unverhüllt zu sehen.
Der Wind bläst selbst in Tallage noch extremer als anderswo in Patagonien. Daher ist auch die gefühlte Kälte stärker trotz der massiver Sonneneinstrahlung. Unser Guide weist uns bei der Tour sogar ein, wie wir bei heftigen Böen am besten stehen sollen. Es gab wohl schon Unfälle von Touristen, denen es regelrecht die Beine weggerissen hat.
Im Gegensatz zu den Gletschertouren rund um El Calafate – siehe Beitrag hier – könnt Ihr in El Chaltén vieles spontan entscheiden. Es gibt ausreichend Veranstalter und Guides vor Ort, beziehungsweise Ihr könnt etliche Trails auch einfach auf eigene Faust in Angriff nehmen. Bei längeren Exkursionen in der Hochsaison ist es aber besser vorher zu buchen, falls Ihr nur ein kleines Zeitfenster habt.
Das Wetter macht mit
Am Morgen nach unserer Ankunft schauen wir aus dem Fenster und die Aussicht ist düster und regnerisch. Die Berge sind von schwarzen Wolken verhüllt, es ist unangenehm kalt und windig. Eigentlich hatten wir eine ausgedehnte Trekkingtour gebucht und uns natürlich darauf gefreut. Geplant war die knapp achtstündige „Laguna de los Tres“ Route, die zum bekanntesten Aussichtspunkt in der Gegend führt. Der Name „Los Tres“ bezieht sich auf die drei Gipfel, die man vom Ufer der Gletscherlagune aus sieht: Fitz Roy (3,405 m), Poincenot (3,002 m) und Saint-Exupéry (2,558 m).
Wir fahren zum Treffpunkt am nördlichen Ausgang des Ortes, wo die meisten Exkursionen starten. Nach kurzer Absprache mit dem Guide stellen wir fest, dass wir weder die richtige Ausrüstung für das Wetter haben noch das Risiko eingehen können, bei Sturm die Berge zu erobern. Schade, aber man würde ja auch nicht viel sehen. Flexibilität ist im unberechenbaren Patagonien gefragt. Wir vereinbaren einen neuen Versuch für eine kleinere Tour um die Mittagszeit. Gegen 12:00 Uhr reisst der Himmel auf und wir haben endlich das perfekte Wetter zum Laufen.
Die kleinere „Laguna Capri“ Tour dauert knapp vier Stunden und gibt bei mittlerem Schwierigkeitsgrad einen guten ersten Eindruck von der Gegend. Highlights sind der Aussichtspunkt auf das Jurassic Park ähnliche Tal mit dem Rio De las Vueltas und die fast schon romantische Lagune selbst mit Blick auf den stolzen Felsenkönig Fitz Roy. Wenn Ihr Glück habt, bekommt Ihr auf dem Rückweg einige der majestätischen Kondore in voller Aktion zu Gesicht.
Die Tour könnt Ihr auch sehr einfach ohne Guide machen, aber ein gut ausgebildeter Führer kann Euch viel mehr Hintergrundwissen erzählen als in jedem Buch steht. Unter anderem war es interessant zu erfahren, dass es mit Chile andauernde Grenzstreitigkeiten um das Gebiet gibt und El Chaltén eine Art territoriales Statement für Argentinien ist.
Fazit
Am Ende ist man immer schlauer: Zwei Tage sind für die Gegend viel zu kurz. Nicht nur, dass ich mich ein bisschen in El Chaltén verliebt habe, sondern es gibt noch eine Menge mehr zu sehen und zu erlaufen. Einen guten Überblick über die Trekkingtouren inklusive Kartenmaterial bietet die offizielle Seite von El Chaltén.
Hier geht’s zurück zum Überblick über Patagonien.
Hier geht’s zu den Gletscherwelten rund um El Calafate.
Vielen Dank für die Information. Gert 30.3.2018