Sie ist eine Überraschung. Mit einer bewegten Geschichte zwischen Orient, Okzident und Sozialismus, verkörpert der Reisetipp Sofia das moderne und offene Osteuropa. Ein Wochenende lohnt sich auf jeden Fall, auch wenn die bulgarische Hauptstadt nicht ganz mit den Mega-Hotspots wie London oder Paris konkurrieren kann. Dafür bekommt Ihr aber etwas zu sehen, das abseits des Mainstreams ist. Hier meine Sightseeing Tipps Sofia.
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Sightseeing Tipps Sofia – Tiefere Einblicke
Empfehlen kann ich die Free Sofia Tour, ein Projekt der 365 Association. Das ist eine gemeinnützige Organisation, die es sich zum Ziel gesetzt hat, die Welt ein Stückchen besser zu machen indem sie durch Führungen ein Verständnis für andere Kulturen schafft. Ein hehrer Ansatz, aber begrüßenswert.
Ich hatte die Standard „Free Tour“ und die kostenpflichtige „Cultural Tour“ mitgemacht. Letztere betrachtet Kunst, Musik und kulinarische Besonderheiten von Sofia. Darüber hinaus wird ganz frisch dreimal die Woche eine „Communist Tour“ angeboten, die interessante Einblicke in die Übrigbleibsel der kommunistischen Jahrzehnte gibt.
Die Sightseeing Tipps Sofia in zwei Stunden
Die zirka zweistündige „Free Tour“ startet täglich um 11:00 Uhr und 18:00 Uhr. Die späte Tour um 18:00 Uhr hat besonders im Sommer den Vorteil, dass die Temperaturen dann erträglicher sind. Zudem wirken manche Bauten, wie die Alexander Newsti Kathedrale, bei Einbruch der Dämmerung besonders spektakulär.
Anmelden müsst Ihr Euch vorher nicht. Los geht’s direkt vor dem Justizpalast, wo die Guides der 356 Association die Gruppen aufteilen. Wie der Name schon sagt, ist die Tour frei, aber am Ende wird gerne eine Spende gesehen. Mit 10,00 Lew, also 5,00 €, seid Ihr gut dabei und das ist es allemal wert.
Die Führung ist ideal für einen ersten Überblick und um Hintergrundinfos zu bekommen, die Ihr nicht in den Reiseführern findet. Zum ausgiebigen Fotografieren und Besichtigen bleibt aber in zwei Stunden zu wenig Zeit. Ich habe die Tour am nächsten Tag noch mal auf eigene Faust gemacht und etwas ergänzt:
Justizpalast
Start und Treffpunkt für die Touren ist der Justizpalast bzw. „Gerichtspalast“ (bulg.: „СЪДЕБНА ПАЛАТА“), ein monumentales Bauwerk aus den 1940er Jahren, in dem die gesamte Gerichtsbarkeit Sofias stattfindet. Der Stil des Gebäudes ist ein wilder eklektischer Mix verschiedener Epochen.
Kathedrale Sweta Nedelja
Weiter geht es wenige Meter halb rechts zum ersten Höhepunkt der Tour, der orthodoxen Kathedrale Sweta Nedelja. Es lohnt sich, sich im Vorfeld mit der Geschichte der Kathedrale zu beschäftigen. Insbesondere mit dem menschenverachtenden Bombenanschlag der Kommunisten 1925, bei dem mehrere hundert Kirchgänger ums Leben kamen oder verletzt wurden.
Ihr müsst auf jeden Fall einen Gottesdienst – am besten Sonntagmorgens – besuchen. Dabei wirkt der Innenraum mit seinen fast schon überquellenden Wandgemälden im byzantinischen Stil noch atmosphärischer. Leider sind auch hier, wie in den meisten Kirchen, keine Fotos erlaubt.
Statue Hl. Sofia – Kirche Hl. Petka
Es geht immer geradeaus bis zur U-Bahn Station „Serdika“, die eine kleine Besonderheit in ihrer Mitte birgt. Bevor wir aber eine Etage tiefer steigen, zuerst ein Blick nach links, wo die Statue Heilige Sofia ihre schützende Hand in mehr als 20 Metern Höhe über den dichten Straßenverkehr hält. Die Schutzheilige der Stadt ist besonders bei strahlend blauem Himmel ein perfektes Bildmotiv – und ehrlich gesagt auch weit attraktiver als der alte Lenin, der vor ihr dort gestanden hatte.
Durch die Unterführung kommt man zur U-Bahn Station „Serdika“. Die vielen für Sofia typischen unterirdischen Läden mit allerlei Nippes sind schon sehenswert, aber die Hauptattraktion ist die Kirche „Heilige Petka Samardzhiyska“ aus dem 11. Jahrhundert. Der Eingang befindet sich ganz anachronistisch bei der Klimaanlage im Außenbereich der Metro. Zwar können weder die Fassade noch das Innere der Kirche mit der Pracht anderer Attraktionen konkurrieren, aber ihr mittelalterliches Ambiente, eingebettet in hochmoderner Verkehrstechnik, fühlt sich wie eine plötzliche Zeitreise an.
Zentralmarkthalle
Wir verlassen die Unterführung auf der anderen Seite wieder und überqueren den Knyaginya Maria Luiza Boulevard, an dem entlang sich die Zentralmarkthalle wuchtig erhebt. Der Innenraum ist im Neorenaissance-Stil gehalten, eine für das frühe 20. Jahrhundert typische luftig-funktionale Architektur aus Stahl und Glas. Es ist Zeit für einen guten Espresso, den Ihr hier für umgerechnet 20 Cent bekommt.
Es geht auf drei Ebenen vorbei an Imbissbuden, Läden mit Schmuck, Büchern, Wein und Spirituosen und den typisch bulgarischen Wurst- und Milchprodukten. Die Markthalle ist nicht ganz so spektakulär und wuselig wie anderswo in Südeuropa. Besonders an Sonntagen herrscht hier eine entspannte Atmosphäre – ideal, um sich mit einem Kaffee in der Hand eine Weile treiben lassen.
Synagoge – Moschee-Banja-Baschi
Hinter der Zentralmarkthalle stößt man schon gleich auf die Sofioter Synagoge. Sie ist die drittgrößte in Europa und wird noch aktiv von der jüdischen Gemeinde als Gebetshaus genutzt. Die Architektur aus dem frühen 20. Jahrhundert ist ein kräftiger Mix verschiedener Stilrichtungen. Die orientalischen Bögen und Formen erinnern stark an die bekannten maurischen Bauwerke Andalusiens. Eine Innenbesichtigung habe ich leider nicht mehr geschafft, was sich aber wegen der reichen Verzierungen durchaus lohnen soll.
Zurück an der Markthalle vorbei und wieder auf die andere Seite des Maria Luiza Boulevard, erhebt sich links das Minarett einer der ältesten Moscheen Europas. Von außen ist die Banja-Baschi-Moschee recht ansehnlich, der Innenraum aber nicht besonders spektakulär und überraschend klein. Zudem wird dieser aktuell restauriert (Stand September 2015).
Trotzdem lohnt sich ein Besuch, alleine schon um das seltene Ereignis eines jüdischen und muslimischen Gotteshauses in friedlicher Nachbarschaft zu bestaunen. Der gesamte Bereich wird „Quadrat der Toleranz“ oder auch „Platz der Toleranz“ genannt, wo neben Moschee und Synagoge auch eine katholische und orthodoxe Kirche sich nahe stehen. Geht doch.
Mineralbad
Jetzt links an der Moschee vorbei und Ihr landet direkt auf dem Platz vor dem Zentralen Mineralbad. Man kann sich dort auf einer der Bänke entspannt niederlassen und die sehr spezielle Jugendstilarchitektur der Frontseite bewundern. Das Bad ist schon länger stillgelegt und beherbergt jetzt das Historische Museum. Die 6,00 Lew Eintritt lohnen sich auf jeden Fall.
Ihr bekommt einen breiten und ziemlich professionell gemachten Einblick in die Stadtgeschichte. Wer sich außerdem für den Verkaufsschlager der Bienen begeistert, wird seine helle Freude am Honigmarkt haben, der Sonntags draußen stattfindet.
Präsidentenpalast – Sveti Georgi
In wenigen Minuten erreicht man den Nezavisimost-Platz. Dort bringt Euch eine Unterführung auf der anderen Seite der Kreuzung zum Präsidentenpalast. Die Unterführung bietet einen archäologischen Leckerbissen. Durch eine ziemlich schäbige Plastikfolie könnt Ihr zurück ins 4. Jahrhundert springen. Dahinter verbergen sich Überreste römischer Festungsmauern, die bei Bauarbeiten entdeckt wurden und derzeit freigelegt werden. Beim Ausbau des U-Bahn- und Unterführungs-Systems stoßen Arbeiter immer wieder auf solche Schätze.
Vor dem Präsidentenpalast könnt Ihr ruhig etwas stehen bleiben und mit gebührendem Abstand die Wachen bei Ihrer Zeremonie beobachten und fotografieren. Der Innenhof ist aber das eigentlich Besondere. Direkt in Wurfweite dem Palast zugewandt sind die Zimmer des Sheraton Hotels und die eines Wohnhauses. Das nenne ich eine vernünftige Bürgernähe.
Der historische Höhepunkt ist die Rotunde des Heiligen Georg („Sveti Georgi“) aus dem 4. Jahrhundert. Die Kirche ist das älteste noch erhaltene Gebäude in Sofia. Hier könnt Ihr ähnlich der „Heilige Petka Samardzhiyska“ wunderbar die frühchristliche Atmosphäre auf Euch wirken lassen.
Nationaltheater – Russische Kirche Sveti Nikolay
Weiter geradeaus schlendert Ihr zunächst durch den äußerst gepflegten Stadtpark und landet dann direkt vor dem Eingang des Nationaltheaters „Iwan Wasow“. Es ist jetzt Zeit für eine kurze Pause. Bei gutem Wetter könnt auf dem Vorplatz des Theater entspannt einen Kaffee trinken und die Säulenarchitektur des Schauspielhauses bestaunen.
Wenige hundert Meter weiter leuchten einem schon die typisch goldenen Kuppeln der russisch-orthodoxen Kirche Sveti Nikolay entgegen. Obwohl relativ klein, ist sie neben der Alexander-Newski-Kathedrale einer der optischen Highlights von Sofia. Es lohnt sich reinzugehen und besonders von außen die vielförmigen Dachaufbauten aus allen Perspektiven zu fotografieren.
Statue des Zaren Samuel – Flohmarkt – Alexander-Newski-Kathedrale
Wir steuern auf DAS Wahrzeichen Sofias zu, die Alexander-Newski-Kathedrale. Auf der linken Seite seht Ihr die erst in diesem Jahr errichtete Monarchenstatue des Zaren Samuel. Wenn Ihr die Abendtour macht, leuchten seine Augen ziemlich eindrucksvoll und fast schon unheimlich in der Dunkelheit. Auch die Geschichte des Samuel hat mit den Augen zu tun, aber leider auf eine sehr grausame Art und Weise.
Rechter Hand ist der Flohmarkt, auf dem neben Ikonenbildern einheimischer Künstler auch merkwürdiges Zeugs verkauft wird. Besonders viele „Raritäten“ findet Ihr aus der sozialistischen Ära. Ich musste mir direkt einen alten Lenin-Button kaufen – natürlich nicht ohne vorher ausgiebig zu verhandeln.
Für uns Deutsche eher irritierend sind die unschönen Nazi-Memorabilia, die hier ganz selbstverständlich angeboten werden. Es gibt aber auch wirklich lohnenswerte Raritäten wie zum Beispiel top gepflegte alte Analogkameras. Hartes Verhandeln ist hier ebenfalls angesagt, die Verkäufer rufen bei Touristen gleich mal einen Batzen mehr auf.
Die Alexander-Newski-Kathedrale als letzte Station der Tour ist das absolute Highlight. Obwohl Sofia zum Glück noch nicht so stark von Besuchern überschwemmt wird, zieht die Kathedrale Touristenbusse wie ein Magnet an. Das Ganze hält sich aber im Vergleich zu den top Sehenswürdigkeiten anderer Metropolen in Grenzen. Ihr könnt Euch in Ruhe das Kirchenschiff mit seinen riesigen Kronleuchtern und den Verzierungen aus Marmor und Gold anschauen, was sich in jedem Fall lohnt.
Obwohl die Kathedrale erst Anfang des letzten Jahrhunderts gebaut wurde, hat sie eine fast mittelalterlich-düstere Atmosphäre, was aber für orthodoxe Kirchen recht typisch ist. Die Krypta wird schon seit längerem als Ausstellungsraum der Nationalen Kunstgalerie genutzt. Der Eintritt kostet extra und ist nur etwas für Bewunderer von klassischen Ikonenbildern.
Etwas Abseits
Ihr solltet Euch Zeit nehmen, um die Stadt abseits der Touristenattraktionen kennenzulernen. Sofia ist relativ sicher und mit etwas Aufmerksamkeit könnt Ihr auch die abgelegenen Ecken erkunden. Besonders kann ich den südlichen Teil des Stadtzentrums empfehlen. Das ist die Gegend zwischen dem Justizpalast und dem Patriarh Evtimii Boulevard. Hier verirren sich nur wenige Touristen und es zeigt sich der Sofioter Alltag mit seinen kleinen Läden, Hinterhöfen, unsanierten Häuserfassaden und von außen unspektaktulären Kirchen, die in ihrem Inneren aber eine oft überraschend prunkvolle Atmosphäre haben.
Neben den Hauptrouten findet Ihr etliche mit Kopfstein gepflasterte Boulevards, die einen in die sozialistischen 70er oder 80er Jahre zurück katapultieren. Mein Liebling ist der schön begrünte Boulevard Knyaz Al. Dondukov, der vom Nezavisimost-Platz in der Nähe des Präsidentenpalastes in westliche Richtung abzweigt.
Las but not least – falls Euch der Metropolen-Trubel zu viel wird und Ihr durchatmen wollt, kann ich einen Ausflug in die Grünanlagen der Umgebung empfehlen. Besonders die Parks südlich des Zentrums (Park Borisova Gradina und Yuzhen Park) ziehen sich wie zwei Lungenflügel bis zu den Außenbezirken wie dem Studentenviertel Studentski Grad.
Die Grünflächen und Wege sind hervorragend gepflegt und werden am Wochenende gerne von Familien genutzt. Zu Fuß ist man gute zwei Stunden unterwegs. Eine Alternative ist ein Fahrrad, das Ihr im Zentrum an den vielen Verleihstationen mieten könnt.
Weitere Infos
Zur Reisevorbereitung kann ich folgende Quellen empfehlen:
- Stilnomaden: Kurzweilig geschriebener Blogbeitrag über „25h Sofia“
- viel unterwegs: Schöner und umfassender Beitrag einer Reisebloggerin
- Back-Packer: Reiseblog mit vielen hilfreichen Tipps zu Restaurants, Nachtleben und Hostels
Hier geht’s zu den praktischen Tipps für eine Sofia-Reise.