Eine Altstadt mit doppeltem Boden, ein Student namens Kopernikus und ein feuerspeiender Drache. Nach Warschau ist Krakau mein zweites Reiseziel in Polen. Die über 750.000 Einwohner große Kulturmetropole ist in vielerlei Hinsicht spannend und mehr als ein verlängertes Wochenende wert. Hier die Reisetipps Krakau.
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Reisetipps Krakau – 5 gute Gründe
Krakau ist Geschichte
Krakau hat einen beeindruckenden Schatz an Historie und Kultur vorzuweisen – im positiven wie im negativem Sinne. Die Stadt wurde im 2. Weltkrieg kaum zerstört und die vielen Gebäude aus der Renaissance, Gotik und dem Barock sind in hervorragendem Zustand.
Krakau war außerdem: Wohn- und Studienort von Johannes Paul II. und Nikolaus Kopernikus, Standort von Oskar Schindlers Emailwarenfabrik (Schindlers Liste), Verwaltungssitz beim Bau von Auschwitz-Birkenau, einer DER Zentren jüdischer Kultur in Europa und bis Ende des 16. Jahrhunderts die Hauptstadt des Königreichs Polen.
Krakau entsteht
Krakau ist nicht nur Altstadt und damit ein großes Freilichtmuseum wie Salzburg oder Venedig. Über das historische Zentrum hinaus gibt es viele Ecken, die kräftig am Entstehen oder wieder Entstehen sind. Als Universitätsstadt mit über 200.000 Studenten erneuert sich Krakau per se immer wieder.
Einer der Bezirke, die in den letzten Jahren für Besucher besonders spannend geworden sind ist Kazimierz, wo kreatives Kunst- und Kneipenleben zusammen mit den Spuren jüdischer Kultur eine besondere Stimmung verbreiten.
Krakau ist Musik
Das wusste ich vor meiner Reise auch nicht. Krakau ist eine der Hochburgen des Jazz. Überall in der Stadt werden in kleinen Clubs die unterschiedlichen Spielarten performt. Im Kommunismus zu Beginn ins Private verbannt, entstand in den 50er Jahren wohl eine regelrechte Underground-Kultur.
Dann ist da natürlich noch Klezmer, der wie Jazz in vielen Kneipen und Restaurants vorgetragen wird. Ob das nun hauptsächlich Folklore-Kitsch ist wie in einem Spiegel-Artikel beschrieben, kann ich nicht beurteilen.
Apropos Musik. Falls Ihr dem berühmten Geiger Nigel Kennedy über den Weg lauft, nicht wundern. Er hat sich in die Stadt verliebt und wohnt seit einigen Jahren dort.
Krakau schont
… den Geldbeutel. Obwohl Krakau ein Touristenmagnet ist, hält sich selbst im Altstadtzentrum das Preisniveau in Grenzen. Im Vergleich zu Deutschland liegen die Kosten bei ungefähr 60%. Angenehm fand ich außerdem, dass ich keine wirklichen Touristenfallen oder die allseits beliebten „Winkemännchen“ vor den Restaurants gesehen habe.
Krakau entspannt
Trotz des lebhaften Tourismus herrscht eine ziemlich entspannte Atmosphäre. Dazu tragen die sehr relaxten und freundlichen Einheimischen einen großen Teil bei, aber auch die Besucher, die hauptsächlich an der Kultur der Stadt interessiert sind. Das klassische EasyJet-Feierpublikum habe ich zum Glück nicht entdeckt. Wenn’s dann doch mal zu viel wird, biegt einfach in eine der Nebenstraßen ab und setzt Euch in eines der vielen charmanten Cafés.
Reisetipps Krakau – Das Beste in zwei Tagen
Ein verlängertes Wochenende – Donnerstagabend hin und Sonntagabend wieder zurück – reicht für das Wesentliche. Man kann sich aber auch locker eine ganze Woche mit Krakau beschäftigen. Um die Stadt kennen zu lernen, solltet Ihr auf jeden fall das Altstadtviertel und Kazimierz anschauen.
Bei einem kleinen Zeitfenster lohnt sich eine Unterkunft direkt in oder am Rande der Altstadt, von wo aus man das Meiste gut erlaufen kann. Für weitere Strecken bietet Krakau ein top ausgebautes Nahverkehrsnetz.
Eine Tour nach Auschwitz-Birkenau nimmt noch mal einen weiteren Tag in Anspruch, alleine schon wegen der Anfahrt von über 60 Kilometern. Ebenso ein Ausflug in das sozialistische Arbeiterviertel Nova Huta, für das man ebenfalls mindestens einen halben Tag einplanen kann.
Ich habe zwei Führungen mitgemacht, die ich absolut empfehlen kann: Altstadt und Kazimierz (Jewish Tour) jeweils mit der Free Walking Tour Foundation. Die Organisation finanziert sich durch Spenden, die man den Guides am Ende der Tour gibt. Die Führer machen den Job nebenberuflich, sind aber mit Herzblut und viel historischem Wissen dabei. Die Touren dauern jeweils knapp drei Stunden. Zum ausgiebigen Fotografieren solltet Ihr Euch aber separat noch mal Zeit nehmen.
Tag 1 – Die Altstadt mit doppeltem Boden
Die historische Altstadt ist dicht bestückt mit Sehenswürdigkeiten. Dreh- und Angelpunkt und Start für die meisten Touren ist der Hauptmarkt, der eine besondere Geschichte zu bieten hat – vor allem seit unter seiner Oberfläche mittelalterliche Gräber und Artefakte gefunden wurden.
Der Stadtkern ist zwar touristisch, aber man hat immer noch den Eindruck, dass hier auch noch „echtes“ Leben stattfindet. Besonders beeindruckt die tiefe Religiosität, selbst bei jüngeren Krakauern. Obwohl die Dichte an Kirchen hoch ist, sind diese auch außerhalb der Gottesdienste überraschend gut besucht.
Unbedingt anschauen
Die folgende Altstadt-Tour kann ich Euch ans Herz legen. Nehmt Euch dazu am besten drei bis vier Stunden Zeit mit Zwischenstopps in einem der bezaubernden Cafés und zu einem Lunch in einer der kreativ-günstigen Milchbars:
(1) Start bei der Dreifaltigkeitskirche → (wunderschöne Dominikanerkirche, die innen eine besondere Ruhe ausstrahlt) → (2) Rathausturm (beherbergt ein kleines Museum; von oben netter Blick auf die Altstadt) → (3) Hauptmarkt (einer der größten mittelalterlichen Plätze Europas; Highlight sind die Tuchhallen in wunderbarer Renaissance-Architektur)
(4) Kirche St. Maria (direkt am Marktplatz gelegen; lohnt sich reinzugehen, ist aber sehr voll am Wochenende) → (5) Rynek Underground (toll gestaltetes Museum; liegt eine Etage tiefer unter dem Marktplatz und zeigt die mittelalterlichen Ausgrabungen des Platzes) → (6) Juliusz Słowacki Theater (prunkvolles Gebäude mit Liebe zum Detail; etwas abseits vom Trubel, perfekt zum Ausruhen)
(7) Stadttor „Barbaken“ und Verteidigungswall (der Vollständigkeit halber, haut aber nicht vom Hocker) → (8) Jagiellonen-Universität (älteste Uni Polens; fantastische Atmosphäre im gotischen Innenhof, sofern keine Reisegruppen am Start; Kopernikus und Johannes Paul II haben hier unter anderem studiert) → (9) Wohnhaus von Johannes Paul II (im Palais der Bischöfe von wo aus er seine berühmten Fensteransprachen gegen das sozialistische Regime hielt)
(10) Franziskanerkirche (gotisches Bauwerk, direkt gegenüber dem Wohnhaus; von außen nicht sehr spektakulär, innen beeindrucken aber die Fenster und Glasmalereien)→ (11) Schloss Wawel – Kathedrale (zu empfehlen: das Königszimmer im Schloss; die Kuppeln der Kathedrale sind ein wilder Stil-Mix aus Renaissance und Barock; im Innern sehr verwinkelt mit vielen kleinen Kapellen und Altären)→ (12) Drachenstatue (direkt an der Weichsel unterhalb des Schlosshügels; der Drache hat der Sage nach alle Jungfrauen gefressen, aus diesem Grunde gibt es auch keine mehr in Polen…)
Unbedingt reinsetzen
Unweit vom alten Stadttor im nördlichen Teil des historischen Zentrums findet Ihr in einer kleinen Nebenstraße das charmante Café Camelot. An der Fassade nagt zwar die Patina, innen ist das Camelot aber tip top, ebenso der Kaffee und die Gerichte.
Lunch empfehle ich unbedingt im Restauracja Polakowski, das wahrscheinlich schönstes Schnellrestaurant der Welt. Für gerade mal 5,00 € könnt Ihr trotz zentraler Altstadtlage lecker und vor allem typisch polnisch essen. Die Gerichte sind zwar sehr fleischlastig, dafür aber überraschend frisch und hausgemacht.
Tag 2 – Das „trendy“ Kazimierz
Kazimierz ist wesentlich ruhiger als die Altstadt, der Trubel konzentriert sich auf wenige Hotspots wie der „Neue“ Marktplatz und der Platz vor der Alten Synagoge. Da ich in Berlin wohne, bleibt der Vergleich mit den hiesigen Trendvierteln wie dem Prenzlauer Berg oder Neukölln nicht erspart.
Auf der einen Seite unsanierte Altbauten mit den typisch kreativen Offtheatheatern und ein Ökosystem an Cafés und Bars in den Nebenstraßen. Dafür dann aber Ecken, die zwar in den Reiseführern als Geheimtipp stehen, aber mittlerweile schon der Sanierung und den Touristen zum Opfer gefallen sind.
Schön ist es, an vielen Stellen Reste jüdischer Kultur und auch wieder neu entstehende jüdische Kultur zu entdecken, die das Viertel und ganz Krakau über Jahrhunderte geprägt hat. Kazimierz hat in den 90er Jahren eine ähnliche Entwicklung durchlebt wie Neukölln. Zunächst eine No-go-Area und billig, dann kamen die Künstler und Studenten, dann die Gastronomie und die Investoren – und schließlich wir, die Touristen.
Kazimierz ist mit touristischen Highlights aber nicht ganz so dicht bestückt wie die Altstadt. Daher könnt Ihr Euch ausreichend Zeit nehmen, durch den Bezirk zu streunen, von Café zu Café zu tingeln und einfach ein paar Stunden abzuhängen.
Unbedingt anschauen
Folgende – zirka dreistündige Tour – kann ich empfehlen, um einen guten Überblick zu bekommen:
(1) Start bei der Alten Synagoge (älteste erhaltene Synagoge in Polen) → (2) Remuh Synagoge (quer gegenüber; letzte aktiv genutzte Synagoge mit schönem jüdischem Friedhof) → (3) Isaac-Synagoge (berühmt durch eine sympathische Legende; außerdem Location für Klezmer-Konzerte) → (4) Plac Nowy („Neuer“ Marktplatz; am Wochenende ist hier ein gut besuchter Flohmarkt) → (5) Józef-Str. 42 (eines der vielen privaten jüdischen Gebetshäuser) → (6) Mahnmahl (über die Weichsel im ehemaligen Ghetto/Bezirk Podgórze, auf dem „Platz der Ghettohelden“) → (7) Fabrik von Oskar Schindler (ist heute ein historisches Museum)
Unbedingt reinsetzen
Direkt am neuen Marktplatz gibt es zwei bekannte Bars: Zum einen die etwas „verwunschene“ Alchemia Bar mit dazugehörigem Restaurant, zum anderen das Singer – „Singer“ wegen der alten Nähmaschinen auf den Tischen.
Wer es etwas ruhiger mag, ist im Cheder – ein jüdisches (Bücher-) Café – gut aufgehoben. Bei leckerem Kuchen und gutem Kaffe kann man hier bestens entspannen.
Und last but not least, wenn wir schon bei jüdischer Gastronomie sind: Geht unbedingt am Abend ins Klezmer Hois, einer der bekanntesten Adressen in Kazimierz. Wie der Name schon sagt, treten dort regelmäßig Klezmer Bands auf. Das Hois ist immer gut besucht und eine rechtzeitige Reservierung ist sinnvoll.
Fazit
Die zwei Fragen am Ende jeder Reise: „Hat sich’s gelohnt?“ und „Komme ich wieder?“. Bei beiden Fragen gibt es ein klares „Ja“. In Krakau gibt es noch viel zu entdecken, wofür ein Wochenende leider nicht ausreicht.
Das nächste Mal will ich die Stadt aber im Sommer erleben. Polen insgesamt hat bestimmt das Potential, sich zu einem meiner Lieblingsländern zu entwickeln – vorausgesetzt, der politische Rechtsruck ist nur ein vorübergehendes Phänomen…