Wer von Tokio ausschließlich High-Tech, Wolkenkratzer und große Reklametafeln erwartet, wird positiv enttäuscht. Immer wieder taucht man unvorbereitet in ein Japan ein, das an vergangene Jahrzehnte erinnert. Alte, einstöckige Häuser, zugige Restaurants und Bars lösen abrupt das Ultramoderne ab. Wem auch das zu viel Großstadt ist, der steigt in den Zug und fährt den Tokiotern am Wochenende ins Grüne hinterher. Hier meine top 7 Tokio Tipps.
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Meine persönlichen 7 Tokio Tipps
Tokio Tipps – Wir treffen uns beim Hund: Shibuya Crossing
Ja ja, ich weiß. Shibuya Crossing steht in jedem Reiseführer und es gibt zahllose Bilder davon im Netz. Und trotzdem: Es rockt. Alleine Shibuya Station als Knotenpunkt von neun Bahn-Linien nimmt fast die Ausmaße einer deutschen Kleinstadt an.
Ich habe mehrere Anläufe gebraucht, um den richtigen Ausgang auf Anhieb zu finden. Macht aber nichts. Wenn Ihr Zeit habt, schaut Euch auf dem komplizierten Weg nach draußen auf jeden Fall den unterirdischen Supermarkt mit seinen Feinkostständen an. Melonen bekommt Ihr hier zum Spottpreis von 100,00 € – das Stück.
Die Masochisten unter Euch können für den besonderen Nervenkitzel am Wochenende gerne versuchen, um halb eins nachts den letzten Zug zu erreichen, um von einem tosenden Meer an Menschen verschluckt und dann in die hoffentlich richtige Bahn gespült zu werden.
Wenn Ihr den Ausgang (Hachikō) Richtung Shibuya Crossing schließlich gefunden habt, begrüßt Euch direkt ein freundlicher Vierbeiner. Die charmante Geschichte über die wahrscheinlich berühmteste Hundestatue der Welt könnt Ihr bei SPON nachlesen.
Nehmt Euch dort ruhig Zeit und fotografiert oder filmt das Spektakel auf der Kreuzung, wenn die Fußgängerampeln auf grün springen. Die riesigen Werbetafeln im Hintergrund bieten dafür die perfekte Kulisse.
Tokio Tipps – Das Comeback der CD: Tower Records
Ein Nachtrag zu meinem Artikel 10 Dinge, die Dich überraschen werden ist das anachronistische Verhältnis der Japaner zu Tonträgern. Während weltweit der CD-Verkauf rapide in den Keller sackt, liegt der Marktanteil im hochtechnisierten Japan bei immer noch sagenhaften 80%.
Zu bewundern ist das Phänomen in einem der größten Musikkaufhäuser der Welt, Tower Records, unweit des Shibuya Crossing. Nutzt die vielleicht letzte Chance, Euch über acht Stockwerke hinweg durch kilometerlange CD-Regale und alle nur erdenklichen Genres zu wühlen.
Gleiches gilt auch für Filme. Es lohnt sich, durch die Anime-Abteilungen der vielen DVD-Läden zu laufen – besonders zu empfehlen im Akihabara-Viertel – siehe unten. Die alltagstaugliche Variante findet Ihr meistens im Erdgeschoss. Je höher die Etage, desto erwachsener und männlicher wird das Publikum. Auch das ist ein Erlebnis. Ich garantiere Euch, dass Ihr danach so schnell keine korpulierenden Manga-Figuren oder Frauen im „luftigen“ Schulmädchen-Style – natürlich verpixelt auf den Covern zu bewundern – mehr sehen könnt.
Tokio Tipps – Forget all Sushi you’ve had before: No Midori
Ich kann nur davor warnen, in Japan Sushi zu essen. Danach werdet Ihr anderswo milde lächelnd alle Restaurants links liegen lassen. Besonders beeindruckt hat mich das Sushi No Midori in der Nähe der Shibuya Station. Unspektakulär in einem Hochhaus gelegen und eher „funktional“ eingerichtet, wird dort nur Fisch von außergewöhnlicher Qualität serviert. Das Warten in der Schlange kann durchaus 30-40 Minuten dauern. Dafür werdet Ihr aber mit kulinarischen Orgasmen belohnt, eingeschlossen dem kollektiven Jubel beim Servieren einer extra großen Portion Fischrogen.
Tokio Tipps – Bunter Kabalsalat: Electric Town
Zwischen Kaiserpalast und Ueno-Park liegt der Akihabara-District mit der gleichnamigen Bahnstation. Wenn Ihr dort den Westausgang nehmt, taucht ihr direkt in „Electric Town“ ein. So wird das knallbunte und leicht überdrehte Viertel genannt, in dem alles verkauft wird, was mit – vor allem gebrauchter – Elektronik zu tun hat. Die Läden überbieten sich mit Musikgedröhne, um die Berge an Kabeln, Schaltern und Konsolen anzupreisen. Zwischendrin toppen das Schauspiel nur noch die schrillen DVD-Shops und Videospielhallen.
Gleich 100 Meter rechts vom Westausgang findet Ihr etwas versteckt eine Markthalle auf zwei Etagen, vollgestopft mit elektronischen Klein- und Ersatzteilen, alten Fotoapparaten und merkwürdigen Comic-Figuren. Es macht einen Heidenspass, durch die kleinen Gassen zu tigern und man muss schon bei einer durchschnittlich europäischen Körpergröße aufpassen, sich nicht den Kopf an den niedrigen Decken zu stoßen.
Wenn Ihr danach auf der Schrägheits-Skala noch eine Stufe nach oben wollt, geht beim Nord-Westausgang rechts in den AKB48-Laden, bestehend aus Café, Kino und Devotionalien-Shop. Hier könnt Ihr bewundern, wie man eine Casting-(Girl-) Band zum Kult aufbaut und generations- und geschlechterübergreifend bis über die Schmerzgrenze hinaus vermarkten kann. Selbst für die hartgesottenen Japaner ist das ein Phänomen.
Tokio Tipps – Picknick im Blauen: Inokashira
Von Shibuya Station aus seid Ihr in einer halben Stunde im Inokashira-Park, ein beliebtes und an den Wochenenden gut besuchtes Naherholungsgebiet. Die beiden Bahnstationen – Inokashirakoen und Kichijoji Station – liegen nur wenige Minuten vom Park entfernt.
Fixpunkt ist der dazugehörige See, der von unzähligen Kirschbäumen gesäumt wird. Es ist herrlich, während der Kirschblüte die Tokioter beim Fotografieren Ihrer Liebsten vor Ihrem liebsten Gewächs zu beobachten. Zur Kulisse passend, gleiten im Hintergrund Tretboote in Form von Kunststoff-Schwänen über den See.
Am Wochenende ist der sonst so grüne Park blau, weil bedeckt mit zahllosen Plastik-Planen, auf denen die Tokioter Familien Ihr Picknick zelebrieren. Im Gegensatz zu vielen Parks anderswo – „bestes“ Vorbild ist der Görlitzer Park in Berlin – werdet Ihr am Tagesende keinen einzigen Krümel Müll finden. Den eigenen Abfall liegen lassen macht man in Japan einfach nicht. Geht doch.
Den Ausflug könnt Ihr perfekt bei einem Happen in der entspannten Markthalle nordwestlich der Kichijoji Station abrunden, wo sich kaum ein Tourist hin verirrt. Zwischen den Fisch-, Fleisch- und Gemüseständen findet Ihr etliche Restaurants, in denen die leckeren Yakitori (japanische Grill-Spieße) zubereitet werden.
Tokio Tipps – Zurück in die 40er: Golden Gai und Omoide Yokocho
Wer Shibuya Station erfolgreich gemeistert hat, kann sich der nächsten Herausforderung stellen. Mit der Yamanote Line sind es nur sieben Minuten in nördliche Richtung bis Shinjuku. Der Bahnhof ist zusammen mit dem Chhatrapati Shivaji Terminus in Mumbai (Indien) der verkehrsreichste der Welt. Noch spannender sind hier aber die nahe gelegenen Viertel Golden Gai und Omoide Yokocho.
Am besten startet Ihr den Abend mit einem Drink im Golden Gai Viertel, das Ihr zu Fuß in nordwestlicher Richtung von Shinjuku Station in zehn Minuten erreicht. Dort angekommen, verändert sich das Stadtbild radikal. Man hat das Gefühl, im historischen Tokio der 30er oder 40er Jahre gelandet zu sein. In den niedrigen windschiefen Häusern, die sich in den engen Gassen aneinander quetschen, hat sich eine wundersame Kneipenkultur entwickelt.
Einige der Kaschemmen sind so klein, dass die Bude bei fünf Gästen zu platzen droht. Am Wochenende herrscht Hochbetrieb und in manchen muss man auch ein überschaubares „Platzgeld“ (Mindestverzehr) bezahlen. Im Gegensatz zu anderen Vergnügungsvierteln, überwiegt aber hier noch der lokalen Touch und die einheimischen Tokioter sind eindeutig in der Überzahl.
Zehn Minuten entfernt in westlicher Richtung liegt das Omoide Yokocho Viertel. Vom Flair her ähnlich dem Golden Gai, dampft und duftet es an jeder Ecke. Hier könnt Ihr wunderbar die bodenständige japanische Küche erleben, besonders die schon zuvor gelobten japanische Grill-Spieße (Yakitori). Die Lokale wirken noch archaischer, teilweise trennt nur ein Plastikvorhang den engen Tresen von der Straße.
Tokio Tipps – Spirituelles Wandern: Kamakura
Für einen Ausflug nach Kamakura solltet Ihr Euch einen ganzen Tag Zeit nehmen. In einer knappen Stunde erreicht Ihr mit der Regionalbahn die 150.000 Einwohner große Kleinstadt. Im Vordergrund steht „Tempel-Hiking“. In der hügeligen Gegend gibt es entlang der Wanderwege jede Menge historischer Tempelanlagen und Schreine zu sehen. Die Südseite von Kamakura liegt direkt an der Sagami-Bucht, und die Strände sind an warmen Wochenenden ein Highlight für Tokioter Stadtflüchtige.
Es gibt in der Gegend verschiedene Wanderstrecken, wir haben uns für den Tenen Hiking Course entschieden (knapp zwei Stunden für 4,5 km). Los geht’s beim Kencho-Ji Tempel, wo uns schon am Eingang eine gewaltige Weihrauchwolke entgegen schlägt. In den meisten Tempeln werden übrigens bestimmte Tierarten wie Katzen oder Füchse verehrt. Hier sind es die Eulen.
Der Einstieg in den Trail erfolgt direkt hinter dem Kencho-Ji über einen steilen Treppenanstieg entlang einem Friedhof und skurriler Statuen. Auf dem Weg könnt Ihr bei guter Sicht den Mount Fuji aus der Ferne bewundern. Die Strecke ist bei normaler Kondition gut zu bewältigen, geht aber teilweise anspruchsvoll nach oben über Baumwurzeln und Felsen. Besonders bei Feuchtigkeit sind für das entspanntere Hiken robuste Trekkingschuhe ratsam.
Nach zirka zwei Stunden landet man wieder in Kamakura und es geht vorbei an Läden mit Kunsthandwerk und kleinen Cafés zum bedeutendsten Schrein in der Gegend, dem Tsurugaoka Hachiman-gū. Eine Besichtigung lohnt sich alleine schon wegen der idyllischen Außenanlage mit kleinem See. Besonders sonntags ist das für die Tokioter Familien ein beliebtes Ziel. Die Frauen werfen sich dann in traditionelle Schale und lassen sich darin auch gerne fotografieren.